Die Grundregeln des Investierens

Es gibt einige wichtige Grundregeln des Investierens, die fast jeder Aktionär kennt. Wenn diese Regeln ausnahmslos und diszipliniert befolgt werden, kann an der Börse nicht viel schiefgehen.

Wenn das stimmt, warum sind dann nicht alle an der Börse erfolgreich? Die Antwort ist so erschreckend wie einfach. Wir alle lassen uns von Gefühlen leiten und erkennen oft nicht einmal, dass wir die wichtigsten Regeln brechen und gegen unsere eigenen Prinzipien handeln.

Oft kennen Aktionäre die Regeln in- und auswendig, legen sie aber nicht richtig aus oder machen Ausnahmen. Hierfür folgen später noch ein paar Beispiele. Jetzt aber erst einmal zu den Grundregeln des Investierens:

1. Diversifikation

Diversifikation bedeutet ganz stumpf das Streuen der Investitionen. Simpel ausgedrückt heißt dies, nicht alles auf ein Unternehmen bzw. eine Aktie zu setzen. Verteile das Geld auf mehrere Aktien oder nehme mindestens ein ETF um das Risiko zu streuen. Du kannst ein Unternehmen noch so gut finden, übergewichte es niemals so stark, dass ein hypothetischer Totalverlust dein gesamtes Portfolio ruinieren kann. Selbst, wenn es für dich das beste Unternehmen der Welt ist. Natürlich ist der Totalverlust eines DAX-Konzerns äußerst unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, wie viele Anleger am Beispiel Wirecard schmerzlich erfahren mussten. Ich empfehle mindestens 8 verschiedene Aktien, im Idealfall aber eher 15 bis 20 Stück. Mehr als 20 Stück verringern ein Risiko nur noch marginal und erhöht deinen Analyseaufwand.

Außerdem sollte eine Streuung auf unterschiedliche Branchen und Regionen vollzogen werden. Es kommt vor das ganze Branchen disruptiert werden oder die Wirtschaft von Ländern Jahrzehnte lang schrumpft. Es macht zum Beispiel kein Sinn ein Depot mit 10 verschiedene Ölproduzenten zu diversifizieren. Was passiert dann wohl mit deinem Depot, wenn eines Tages die weltweite Ölförderung aufgrund von neuen Technologien sinken sollte. Hätte man vor einigen Jahrzehnten nur Produzenten von Analog-Kameras im Depot gehabt, wäre man nach der Erfindung der Digitalkamera heute vermutlich arm wie eine Kirchenmaus. Ein Beispiel für eine Diversifizierung nach Branchen in im Folgenden dargestellt:

Das Gleiche gilt für ein regionales Klumpenrisiko. Japan zum Beispiel war früher einer der wirtschaftsstärksten Länder der Welt. Anfang der 1990er-Jahre brach dort die Wirtschaft ein und erreichte erst in etwa 30 Jahre die alten Höchststände. Dies spiegelt sich im japanischen Aktienindex wieder. Ein patriotischer Japaner, der damals nur japanische Aktien gekauft hätte, wäre nicht erfolgreich gewesen. Jeder investiert am liebsten in dem Heimatmarkt, da man diesen in der Regel am besten versteht. Davon sollte sich ein Investor allerdings dringend distanzieren. Eine weltweit diversifizierte Anlagestrategie verringert das Risiko ungemein und verhindert eine übermäßige Abhängigkeit zu einer einzigen Volkswirtschaft.

Bekannte Beispiele für Verstöße gegen die erste der Grundregeln des Investierens:

  • Alles in Gamestop
  • Alles in Bitcoin
  • Alles in eine Mitarbeiteraktie als Altersvorsorge
  • Ich bin deutscher, deswegen investiere nur in die deutsche Wirtschaft

2. Verstehe was du kaufst

Diese Regel kennt vermutlich jeder Investor von der Börsenlegende Warren Buffett. Es hört sich zwar leicht an, aber alleine zu überprüfen, ob man diese Regel einhält ist äußerst schwierig. Wann hat man etwas verstanden? Reicht es zu Wissen was ein Unternehmen tut, oder muss man weiter in die Tiefe gehen?

Ganz klar letzteres! Es ist vollkommen sinnlos, eine Investmententscheidung mit dem oberflächlichen Wissen über die Pläne einer Firma zu treffen. Es kann sich noch so genial anhören, ob die Idee wirtschaftlich sinnvoll umgesetzt werden kann und vor allem wann dies geschieht, ist eine ganz andere Frage. Ob die Idee dann in der Zukunft auch angenommen wird ebenfalls. Zum Beispiel sieht man immer wieder wie Aktien nach zückersüßen Nachrichten über neue Erfindungen steigen. Oft reicht dafür ein einziges Patent einer sich interessant anhörenden Technologie aus. Das die Umsetzung zu einem marktfähigen Produkt dann 10 Jahre zur Entwicklung brauchen kann vergessen die meisten.

Sowas kommt, da viele Privatanleger unbedingt das nächste Amazon finden wollen. Dafür ist Ihnen oft vollkommen egal zu welchem Preis sie eine Aktie kaufen. Sie hören eine geniale Idee und denken diese könnte sofort die gesamte Welt verändern. Vor allem bei neuartigen Technologien sollte man diese tiefgehend verstehen. Sowohl die technische Umsetzung und auch die wirtschaftliche. Hierfür müssen die Risiken erarbeitet und mit den Potenzialen abgewiegt werden. Zum Beispiel ist es fatal zu sagen; „Ich kaufe Wasserstoff-Aktien, weil das der Antrieb der Zukunft ist“. Dies kann mit Glück gut gehen, aber genauso gut kann die Technik schnell ersetzt werden. Woher willst du das Wissen, wenn du den naturwissenschaftlichen Hintergrund nicht kennst?

Kannst du es wirklich aushalten 70% Kursverfall durchzustehen, wenn du die neue Technik nicht wirklich verstehst und von ihr überzeugt bist? Ich bin mir sicher, dass oberflächliche Investmententscheidungen dazu führen, dass man zum einen das Risiko komplett unterschätzt und zum anderen vorschnell mit Verlust verkaufen würde, wenn es nicht geradlinig nach oben läuft.

Bei etablierten Firmen ist dies oft etwas einfacher, aber dennoch nicht unerheblich. Auch hier muss das Geschäftsmodell verstanden werden und eine fundierte Analyse der Zahlen erfolgen. Bei langweiligen Dividendenwerten zum Beispiel hat man oft den Vorteil, dass Blasen deutlich seltener und weniger stark ausgeprägt sind. Es empfiehlt sich als Anfänger mit sogenannten Value-Werten zu Beginnen, da dort die Gier der jungen Investoren nicht so schnell gelockt wird. Natürlich macht die suche nach dem neuen Amazon deutlich mehr Spaß, allerdings sollte man niemals denken, dass dieser Fund einfach ist! Für Anfänger wäre es eine reine Lotterie mit hohem Einsatz.

Verstehe sowohl das Geschäftsmodell, als auch die Technologie und deren Einflüsse dahinter. Analysiere das Potenzial des Marktes und setze dies in das Verhältnis zu den fundamentalen Zahlen des Unternehmens. Passt dies zur Bewertung? Egal wie gut eine Aktie ist, sie ist niemals unendlich wertvoll!

Bekannte Beispiele für Verstöße gegen die zweite der Grundregeln des Investierens:

  • Die Aktie ist stark gefallen, jetzt muss es aber ein Schnäppchen sein
  • Ein Finanz-Youtuber ist überzeugt von der Aktie und das Geschäftsmodell hört sich super an
  • Oft erkennt man den Grund für sinkende Kurse bei Einzelaktien erst auf den zweiten Blick: Gewinn- und Umsatzwachstum steigt zwar bei einem Biotechnologieunternehmen, aber ein essenzielles Patent läuft aus
  • Die Firma hat ein Verfahren entwickelt, wodurch sich Plastik zersetzen lässt. Die Aktie wird durch die decke gehen.
  • Die Branche steigt eh immer

3. Investiere nur was du nicht brachst

Oft geraten Börsenneulinge in einen Wahn des Aktienkaufs. Es entwickelt sich schnell eine Art Sucht, die einen drängt zu kaufen, obwohl gerade gar kein Geld übrig ist. Oft analysiert man ein Unternehmen und schon packt ein die Fomo (Fear of missing out). Der Kopf sagt einem, dass man sofort kaufen soll, da diese Aktie bald steigt. Dieser Stimme sollte man niemals vorschnell nachgehen und gerade dann eine noch genauere Analyse durchführen.

Es ist wichtig immer noch einige Barreserven für unvorhergesehene Ausgaben zu haben. Als Faustregel gelten mindestens 3 Monatsgehälter. Schulden sollten (als Anfänger bis Amateur) auf keinen Fall für Aktien gemacht werden! Noch besser wären ausgedehnte Reserven die für einmalige Marktchancen genutzt werden können. Zum Beispiel der Corona-Crash oder auch der Crash des chinesischen Aktienmarktes in der ersten Jahreshälfte 2021. Aber auch da kann es in ungünstigen Fällen manchmal Jahre dauern bis sich der Markt erholt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ein Gesamtmarkt nach einer vermeintlich guten Chance noch mal weiter sinkt. Den tiefsten Punkt abzuschätzen ist quasi unmöglich. Wenn du jetzt Geld in dem Markt hast, was du eigentlich bräuchtest, ist es gerade für Anfänger schwer bis unmöglich geduldig zu warten.

Bekannte Beispiele für Verstöße gegen die dritte der Grundregel des Investierens:

  • Die Chance ist einmalig. Dafür muss ich an meine Notreserve ran
  • Die durchschnittliche Rendite ist 7% und der Wertpapierkredit kosten nur 3,9% im Jahr. Was soll da schiefgehen?
  • Ach es wird schon nichts passieren, wo ich an meine Reserven muss.

4. Geduld Geduld Geduld

Geduld ist einer der wichtigsten Tugenden beim Investieren. Schnell reich werden ist in der Regel nur mit sehr viel Glück möglich. Je schneller der potenzielle Gewinn an der Börse winkt, desto höher ist das Risiko. Es gibt viele Strategien, die an der Börse genutzt werden. Diese können nach der Haltedauer der Wertpapiere unterteilt werden.

Der einfachste und risikoärmste Weg ist sicherlich das klassische Buy and Hold investieren. Mit einem Anlagehorizont von mindestens 10 Jahren ist es bei einem gut diversifizierten Portfolio fast unmöglich negative Rendite zu machen. Hier kann man in der Regel mit 7% pro Jahr vom Zinseszinseffekt profitieren.

Das Trading dagegen ist eine weitere Möglichkeit, die viel Wissen und Erfahrung benötigt. Einem Anfänger an der Börse sollte man dies nicht empfehlen. Das sogenannte Swing-Trading umfasst einen Anlagehorizont von Tagen bis Wochen und nutzt die ständige Kurschwankung aus. Das Daytrading umfasst einen Zeitrahmen von maximal einen Tag. Hier kommt es nicht selten zu Haltedauern von wenigen Minuten. Wer sich hier versuchen will, den sollte klar sein, dass er gegen Vollprofis mit professioneller Software die von künstlichen Intelligenzen unterstützet wird konkurriert. Bis ein Anleger hier ausreichende Profitabilität erlangt, vergehen oft Jahre des Übens.

Wichtig ist das man seiner Strategie treu bleibt. Nicht selten verfolgen Anleger einen Buy and Hold-Ansatz, aber verkaufen dann doch nach einigen Monaten, weil sie es sich bei der Aktienauswahl wieder umentscheiden. Gebt euren Aktien Zeit zu wachsen. Wie schon einst Kostolany sagte:

„Ich kann Ihnen nicht sagen, wie man schnell reich wird; ich kann Ihnen aber sagen, wie man schnell arm wird: indem man nämlich versucht, schnell reich zu werden.“ ~Andre Kostolany

Bekannte Beispiele für Verstöße gegen die vierte der Grundregeln des Investierens:

  • Die Aktie läuft seit Monaten nur seitwärts. Ich sollte eine andere kaufen
  • Ich muss doch nochmal umschichten, die andere Aktie macht viel mehr Rendite
  • Eigentlich will ich nicht so oft umschichten, aber ich befinde mich noch in der Übungsphase. Da ist es okay
  • Ich bin eine Buy and Hold-Investor, aber jetzt verkaufe ich doch die Aktie da sie schon viel gestiegen ist
  • Die Aktie ist so stark eingebrochen. Die wird Jahre mit den Problemen zu kämpfen haben. Da muss ich sofort raus

5. Sei nicht gierig

Gier ist der größte Feind eines Anlegers. Selbst bei den narrensicheren Buy and Hold Ansatz über Jahrzehnte kann Gier die Rendite stark dezimieren. Es ist wichtig Hype und massive Überbewertungen zu erkennen und zu meiden. Oft sind gerade diese Aktien die, über die alle reden. Bei starken Anstiegen sollte man erst recht skeptisch sein.

Bis zu Februar 2021 sind viele unprofitabele Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen mehrere hundert Prozent gestiegen, ohne jeglichen fundamentalen Grund. Man muss kein Experte sein um zu wissen, das dies nicht ewig gut geht. Ab Mitte Februar crashten viele diese Werte (Nel, Teladoc, Invitae, Arcimoto usw.) stark und keiner wollte sie haben. Dabei sollten Aktien gerade dann gekauft werden wenn sie ohne fundamentalen Grund stark korrigieren. Früher oder später ist dies immer der Fall, denn wie schon Kostolany sagte:

„Mit der Wirtschaft und der Börse verhält es sich wie mit einem Mann und seinem Hund beim Spaziergang. Der Mann geht langsam und gleichmäßig, der Hund läuft vor und zurück.“ ~Andre Kostolany

Ich verspreche dir, bei einem stark fallenden Marktumfeld fühlt sich ein Kauf furchtbar an. Bei einem stark steigenden Markt dagegen richtig, obwohl die Aktie bei ersteren effektiv einfach nur viel günstiger ist. Dieses Gefühl ist ein gefährlicher Feind an der Börse und sollte möglichst ignoriert werden. Dies sollte nicht mit schlechten fundamentalen Nachrichten verwechselt werden. Sinkt ein Markt ohne oder mit unzureichenden rationalen Grund heißt es: kaufen kaufen kaufen. Bei fundamentalen Problemen sollte man erst einmal vorsichtig sein. Vor allem bei Billianzproblemen!

Alle Entscheidungen, die auf den Wunsch nach dem schnellen Geld basieren sollten ausführlich durchdacht werden. Hebe dich von der breiten Masse ab, die blind der Gier folgt. Wenn ein Unternehmen 20 Jahre in eine Bewertung reinwachsen müsste, wäre eine Investition äußerst unklug, egal wie sehr die Masse die Aktie liebt.

Bekannte Beispiele für Verstöße gegen die fünfte der Grundregeln des Investierens:

  • Warren Buffett ist alt geworden. Er verpasst alle neuen Tech-Werte die 500% im Jahr machen.
  • Die Aktie muss ich haben. Sie ist der nächste Tenbagger
  • Ich muss mir sofort Bitcoin kaufen. Wenn der Mainstream den erst einmal entdeckt, geht der durch die Decke!
  • Was soll ich mit langweiligen Value-Werten, wenn andere Aktien durch die Decke gehen
  • Diese Technologie wird die Welt verändern. Die kann nur steigen
  • Da wird schon nichts schiefgehen können

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